–  Das Dorf –

 

       

   

 "Zwischen den Welten wächst Gras"

 

Gedichte aus Deutschland 

Lyrik von vor Vierzig Jahren

... 1981 ...

 

Für das Netz überarbeitete und korrigierte  Fassung

 

Teil 3

                           

  Ein Stimmungsbild

 

     – Das Wesen der Menschen ist Erinnerung –

               

 

                                                     

 

 

Der Abendtraum wartender Ruhe

 

Grauer Nebel drängt von feuchten Wiesen, von den Feldern zum

Waldrand.

Die Feldmaus ist ins Gebüsch gezogen.

 

Die Vögel plustern sich auf für die kommende kalte

Nacht. Sie schließen die Krallen fest um die Zweige.

 

Ein Greifvogel schwebt über das Feld, ruft – sieht

was sich bewegt.

Häuser sind dunkle Schatten mit weichem Licht gefüllt.

 

Geschäftig bereiten die Frauen das Abendessen;

heizen den Ofen für die Nacht.

Das Fernsehen beginnt sein Flackerspiel.

 

Das Fernsehen gibt hypnotische Sicherheit.

der Krieg tobt weit weg im Fernsehland.

in Deutschland herrscht Sicherheit.

 

Den Wolf vor der Tür hat man schon vor uralten

Zeiten erschossen, den Bären zurück in den Osten gejagt.

 

Vom Norden her kommt nicht mehr Unheimliches

über die Felder gekrochen.

Im hohen Gras dampfen die Mulden der ruhenden Tiere.

 

Unter den Wurzeln träumen die Hasen.

Die Sperlinge haben ihren Kopf in die warmen

Federn gezogen.

 

Vom Norden kommt ein eisiger Reiter gezogen,

rüttelt an Bäumen und Schindeln. Er prüft die

Festigkeit des Lebens.

 

Schmunzelnd jagt er den eiskalten Regen durch die

kommende Nacht. Der Wind preßt Nebel auf die Erde.

 

Der nächtliche Kauz folgt seinem Weg, spürt die

sich aufatmend rührenden Wesen, schlägt vom Ast und

ruft seine Macht in den Park hinüber an die Stallwand.

 

Im Stall spitzt ein Pferd die Ohren.

Die Hunde drehen sich auf ihrem Platz,

Hühnchen rücken dicht zusammen.

 

Nebenan feiern Menschen die Nacht. Bier wird

verteilt, die Flasche zieht ihre Kreise.

 

Im bröckelnden Putz verkriechen sich Spinnen,

Mäuse huschen ins warme Futter.

Durch Ritzen und Spalten kriechen trunken flatternde

Falter ans Licht.

 

Von Frauen, ehrbaren Familien geht die Rede, von

den daheim in Wärme hockenden Menschen vor dampfenden Schüsseln.

 

In Stille gedenken sie der Arbeit des Tages.

Schützen ihren Geist vor der qualvollen Enge des

Lebens.

 

Sie erleben das Essen, das volle, das reiche Leben deutscher Kartoffeln,

deutschen Fleißes und deutscher Todesnachrichten aus

Nahost.

 

Draußen vor der Wärme erlischt der Regen.

die Feuchte der Steine wird glänzend im

Scheinwerferlicht fahrender Autos.

 

„Paß auf – Du fährst gegen den Baum“, ruft sie ihm zu.

Lächelnd steht eine Pappel am Straßenrand.

 

Läßt vorsichtig Blätter auf die nasse Kurve fallen,

auf die herabgefallenen Zuckerrüben und Blätter vom Abend.

 

Die Pappel wartet auf das Unmögliche. Sie will eines

der brüllenden Dinger zum Schweigen bringen.

Bald wird sie gefällt werden wegen staßengefährdendem

Verhaltens. So wie es schon ganze Alleen waren.

 

Über den Feldern wird Staub der Erde mit

Gift vermischt.

Hoch oben in den Zweigen sitzen dichtgedrängt die

Krähen. Sie schauen friedvoll auf das verwüstete

Land, das voller Hochspannungsleitungen,

Gefahr und Zank ist.

 

Die Hunde sind an die Kette gelegt, verschlingen

gierig grünlichen Pansen und kriechen zurück in das

Stroh.

 

Oben im Wald beginnt das Wildschwein zu wühlen.

Das Rehwild zieht zu den Schlafplätzen.

Mondschein wandert über den Garten Eden.

 

Weicher Nebel quillt aus der Erde. Heute abend ist

Elfentanz.

Weiße Blüten im Schatten beleuchten die heimlichen

Pfade.

 

Wie silberne Träume in bewegter Luft, ohne jeglichen

Schatten, tanzen die Elfen.

Der krumme Mann sitzt auf dem Baumstamm.

 

Er schlägt den Takt mit hölzernen Augen.

Der rote Blättersammler beginnt sich zu drehen, wie

Wind umschwingt er das Fest.

 

Er warnt vor dem stampfenden Hecheln verirrter

Gnome, führt sie zum Abgrund ins Dunkel und lacht,

Schlägt ihnen Zweige ins Gesicht.

 

Im Stall lauschen die Pferde, mahlen sinnend den

Hafer, heben manchmal den Schweif.

 

Die Arbeiter trinken ihr Bier, heben den Schnaps

und kümmern sich um das, was ihr Recht ist.

 

Knorrige Eichen haben ihre letzten Blätter dem

Fest gespendet.

Wie segelnde Boote gleiten sie hinab ins Gras.

Sternenklar und eisig ist das Licht.

 

Menschen schauen daheim ins blaue Geflimmer

tanzender Schatten auf der Mattscheibe, genießen

die wohlige Wärme heißer Kohlen.

       

                                  

 

Nächtlicher Wintertraum

 

In der Stadt öffnet der Wahnsinn eine Tür

und stürzt den Mann hinaus auf die gepflasterte

Straße.

 

Erbarmungslos erschlägt ihn der menschliche

Beton, vorwärts strauchelt der sinnlos

betrunkene den Gehweg entlang.

 

Verbeugt sich vor dem Kaputzenmann und schlägt mit

den Knien auf das Pflaster. Wimmert leise,

zusammengesunken, irgentwo im Hausflur.

 

Niemand rührt ihn an der Schulter – langsam dreht

er ins Licht , benommen torkelt er weiter die Straße hinunter.

 

Schleift Hundedreck auf seinem Weg. Er läßt

Tränen ins Mondlicht fallen, dort in der Kneipe

haben sie ihn ausgelacht.

 

                              

                    

Menschen jagen Gedanken nach in schlafloser Nacht.

 

Ein großer Hund schnüffelt an der Staßenecke –

sein Frauchen sucht auf der Straße nach etwas frischer

Luft.

 

Große Fleischfresser laufen durch den Park, werden

Liebevoll geduldet als Schutz vor dem Schatten

springender Gespenster.

 

Der Wind fegt durch die Straßen, prallt an der

Kreuzung seitlich gegen die Autos, wirbelt

Blätter auf den Gehweg.

 

Er faßt unter die Mäntel, dreht an der Wetterfahne

und grüßt die schlafenden Vögel mit plötzlichem

Hauch.

 

Den Frost hat er unterwegs getroffen, der den

Liedern der Eskimomädchen so freundlich gesonnen ist.

 

Die Bäume lächeln bedächtig über diese alte

Geschichte und die große Silberesche erzählt von ihrem

langsamen Tod.

 

Im  letzten Jahr hat der Nordsturm ein wenig

Rast gehalten neben ihr. Ihrem Nachbarn brach er die

Krone.

 

Danach kamen die Menschen und haben den Baum

abgeschnitten. Jetzt fegt der Wind ohne Rast vorüber.

 

Die Esche ist alt geworden, sie spielt nur noch im

Winde, die Fäden des Lichtes ein wenig ordnend.

 

Jetzt wird sie schwach. Dieser Platz wird nur noch

menschlich werden, erzählt sie aus wissendem Stamm.

 

Ihren Traum unter den Sternen –eiskalt und klar –

dort hören die Vögel ihr Seufzen.

Die Menschen hören nur sich selber.

 

Über die Straßen ziehen peitschende Lichter.

Aus dröhnenden Kästen drängen dampfende

Leiber ins kalte Nachtlicht.

 

Im Straßenlicht erschauern, erzittern sie,

Steigen zurück in warme Kästen voller

Krach und Gestank.

 

 

     

 

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