"Zwischen den Welten wächst Gras"
Gedichte aus Deutschland Lyrik von vor Vierzig Jahren ... 1981 ...
Für das Netz überarbeitete und korrigierte Fassung
Ein Stimmungsbild
– Das Wesen der Menschen ist Erinnerung –
Dramatisches Bühnenbild II
Und es ist ein Reite da, der heißt Tod.
Bescheiden zieht der Sperber magische Kreise um sein Revier.
Nebel steigt schweigsam aus dem Wald. Am kleinen Bach zerstückelt ein Reiher den glitzernden Fisch.
Ein Schwarm Möwen zieht dicht an den Boden gepreßt über die Felder, weiß den Rhythmus des Atmens zu nutzen.
Zwei Meisen sind in die Luft geworfen, wie fallende Kugeln zum Boden gestürmt. Ein Windspiel.
Krähen ziehen und stehen im Wind, treiben schnell über das offene Feld hinüber zum Wald.
Es biegen Zweige, Baumkronen und Stämme sich, bestimmen das rauschende Dröhnen der Luft; Am Boden wirbelt ein Blatt, springt über die Gräser.
Im Wasser mit rotem Gesträuch, in erwartungsvoller Spannung, gleich einem knienden Mönch, herrscht Stille.
Früher gab es hier den klappernden Vogel mit roten Beinen, der aus dem Süden kam und sehr geschwätzig war.
Immer hat er neue Weisheiten erzählt und dabei Frösche und Lurche von der Wichtigkeit seiner Lehre überzeugt.
Fast lächelnd stürzt der Sperberkönig hinab und schlägt seine Krallen in das graue Leben.
Der Kopf ruckt, zuckt und hackt. Der Sperber fliegt hinüber zum Kiefernast.
Der Reiter hat sich um kranke und kräftige Menschen gekümmert. Schweißfeucht erwacht die Angst in den Leibern.
Häuser werden verbrannt, Menschen gemordet vom Schreibtisch aus mit Telefon und Bankanweisung.
Er kennt die letzten Götter und sucht den Kampf. Findet Platz in Küchen und Schlafzimmern, kriecht durch den Bildschirm in die hitzigen Herzen.
Der Reiter feiert seine Siege im schlaftrunkenen Morgengrauen. Er hört die spitzen Todesschreie zersplitternder Seelen in schlafenden Körpern,
Das wehmütige Gemurmel hochgeistiger Weiser. Die hoffnungslose Irrfahrt ihrer verrosteten Seelen zur Menschlichkeit ist beendet.
Gestern noch haben sie vom Reichtum geträumt und ganz nebenbei Menschen ins Verderben geschickt.
Der Reiter lacht und findet die Seelen verwirrt und voller Angst, beschwert mit Reichtum und hochmütigem Wesen.
Die Indianer haben durch des Weißen Worte für Geld und Zeit ihr Herz verloren. Sie müssen über den Krieg des weißen Mannes mit dessen Gott reden.
Am Lagerfeuer haben sie das Rauschen des Windes beim Lachsfang vergessen. der Rauch aus den Pfeifen ist kalt.
Die kleinen schmierigen weißen Räuber halten sich für Bilder Gottes. Im Elend ihres Sklavenlebens saugen sie geräuschlos Gewissheit aus den Augen der Anderen.
Hoffnungslose Narren, die ihre Seele mit Gold beschweren. Das Schwert blitzt auf im dunklen Raum.
Es führt seinen Kreis zu Ende. Unter den Hufen des Reiters zerfallen die Träume.
Im Namen des Einen sind fast alle Völker unter das Joch des Goldes und des Fortschritts geknechtet.
Er sucht die letzten Götter dieser Erde, um sie zum Kampf zu verlocken. Der eine Gott ist menschenfressend.
Die braunen Federn tragen den Vogel durch das Morgenlicht, vereinzelt glänzt Schnee auf kantiger Krume.
Pfähle sind ins schwarze Fleisch getrieben. Am Waldrand peitscht ein Schuß. Überschlagend knickt der Hals.
Schlägt auf schwarze Erde, wird gehäutet und auf den Rahmen geschlagen. Geschabt, gezupft und weichgekaut.
Mit Eisen und Knochen wird die Welt weichgegerbt. Rotes Blut gerinnt zu schwarzem Brei.
Augen zerbrechen im Morgenlicht, langsam verblaßt das Bild des Lebens. Im Traum läuft der Hase weiter.
Der Jäger zündet seine Pfeife an, nimmt das Messer und öffnet die Kehle. Schmunzelnd denkt er an den Bauern und Wilddiebe.
Oben in der Luft tanzen die Krähen das Orakel im Licht.
Sie wissen vom Kampf der großen Krieger.
Sie erzählen der lauschenden Kiefer vom Reiter der gekommen ist.
Er sei über vieler Völker Knechtschaft geritten gekommen.
In diesem Land hält er Rast.
Verblassende Bilder treiben im Wind. Zerrinnen im Rauch der Stadt, treiben durch Straßen und berühren alte Augen aus Stein.
Einen Augenblick im Schatten der Kirchmauer hört Kinder kommen, tropft in das Lachen wie eh und jeh.
Ein kleiner Ball hüpft auf Kopfstein, springt gegen die alte Linde, wird brüllend von Kinderfüßen getreten.
Ein Spiel zur Ehre der Sonne wird heute mit nackten Füßen im fremden Land gespielt. Der Ball hüpft und springt ohne Stillstand.
Vom Morgen bis zum Abend wird gespielt durch Zweige, über harten Stein, hinauf und hinab Das trockene Flußbett entlang.
Der alte Paladin hat seine Haut im Wind gegerbt, seine Hände an der Erde gewetzt. Seine Brust kann Ketten zersprengen.
Seit Hunderten von Jahren ist er alt geworden. Früher zerriß er mit bloßen Händen menschliche Leiber.
Schon oft ist er dem Reiter in dessen Lebenskampf gefolgt und hat willig an neuen Plätzen sein Werk begonnen.
Immer ist er auf der Suche nach den Freunden der alten Tage. Die hochgewachsenen Könige treten hervor.
Der Ring der Niebelungen wird sie beschwören. Durch alle Zeit sind sie Könige geblieben.
Ein herrlicher Vogel sitzt auf der Stange. Im Flug zwei Sicheln die Schwingen. Sein Geist ist mächtig.
Durch der Menschen Antlitz sein Auge schaut. Zur Beizjagd hoch in die Luft geschwungen, im Windspiel stets ein fester Punkt.
Der alten Bäume mächtige Gestalt hat er gesehen. Glitzernde Sonnenlichter, flatternde Fahnen und grell klirrende Fanfaren.
Wenn die Haube ihm vom Kopf verschwindet, das Glöckchen leise schlägt, ist er ein König im bunten Lebenslicht.
In steinerner Heimat schuf der Geist sich Schutz, seinen Körper gegen das Rad der Zeit zu wehren.
In tausenden von Jahren entstand die Vogelkralle, die Baumknospe, das Spiel der Wolken im Wind.
Das Steinerne Kreutz des Sündenfalls. Die Geisterhaut ist mächtig geworden. Ans Kreuz geschlagen, von der Seele befreit.
Im Namen des Einen wurde die Haut zum heiligen Schutz der Häuser bestimmt.
Genutzt wurde die Kraft des narbigen Pansen gegen das Rad der Zeit. Kein Lernen vom drehenden Rad.
Kein miteinander Tanzen im Vogelflug. Kein gleiches Wiegen im Sturm. Der Bauer, der Landmann kämpft gegen die Natur.
Er ist geknechtet, geknebelt von der Haut die er schützen soll. Die freie Seele schätzt kein Gegeneinander, kein Gold.
Der Recke Roland stürzte treu in die Liebe zu seinem Geist, er gleicht dem Vogel, der tausendmal gelernt hat, im harten Winter nicht zu verhungern.
Ein kleines Kind streckt seinen Kopf vertrauensvoll durch die Geisterhaut, übt den ersten Menschenblick in das fremde Gesicht.
Bald wird es den Schatten des Reiters sehen und eine ahnungsvolle Erinnerung wird den goldenen Pansen anspannen.
Noch sind die Narben verheilt. Der Kampf für die eigene Haut wird das Kindleben in die Steinernen Häuser zwingen.
Der Weg des Reiters führt auch durch die Steinerne Welt –aus tausenden von Jahren ist sein Weg derselbe geblieben.
In das Herz der Menschen ist der Samen gelegt. Er blüht, treibt Frucht. Stärkt das Wesen, und es reift die Frucht, die Furcht vor dem Reiter, Der da heißt Tod.
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