Für Peter Markgraf .......März 2000

 

Für die Trauernden einige Worte der Erläuterung;

 

Das wir uns heute hier versammelt haben, um Abschied zu nehmen von Peter Markgraf, hat zwei Gründe, die beide wichtig genug sind, daß sie genannt werden.

Zum einen ist es die Trauer um den Menschen, der von uns gegangen ist, zum anderen ist es die Gewißheit, daß das Leid endlich ist. Ich denke, daß darin auch für uns ein großer Trost liegt, nämlich der, daß das menschliche Leiden hier auf Erden nicht unendlich ist, da der Tod auch davon erlöst.

Wer war der Mensch Peter Markgraf?

Vielen von uns, die heute hierher gekommen sind, ist er als Peter bekannt. Wer Peter war, wer vermöchte das zu sagen?

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Peter selbst hat 1997 über sein Leben folgendes zu Papier gebracht. Hieraus ein kurzer Auszug: Peter Markgraf, geboren in Sachsenhausen zu Frankfurt am Main, verbrachte seine Kindheit in der Magdeburger Börde, wurde Thälmann-Pionier in der DDR, und 1953, nach dem Aufstand vom 17.Juni, übersiedelte er als noch Kind nach Braunschweig.

Er war eine Sozialweise und wurde ein Fürsorgezögling in der BRD. Neben seinen vielen Jobs besuchte er die Volkshochschule in Braunschweig und beendete seine Ausbildung neben einer Speditionskaufmannslehre als examinierter Altenpfleger.

In den sechziger Jahren unternahm er weltweite Reisen und hatte 1988 als Künstler seine erste erfolgreiche Ausstellung im Dom zu Braunschweig. Es folgten diverse Ausstellungen und Lesungen in verschiedenen Städten, Reden zur Armut auf der Propsteisynode, an der Fachhochschule für Sozialarbeit am NDR und  anderen...

Seit dem Tod seiner Ehefrau, 1984, war er alleinerziehender Vater seines Sohnes und kannte die Armut als Arbeitsloser. All das hinderte ihn nicht, weiterhin künstlerisch tätig zu sein, eher das Gegenteil war der Fall.

Das sind die nüchternen Worte, mit denen Peter sein Leben, besser gesagt, seinen formalen Lebensweg, aneinander gereiht hat.

Über sein schweres Leben, daß er in den jungen Jahren vielleicht auch als ein allzu leicht fertiges Leben betrachtet hat, ist vielen hier mehr bekannt, als jetzt zu erzählen die rechte Zeit ist.

Hierüber noch Ergänzendes und Erklärendes zu sagen und zu reden, denke ich, wird im Anschluß an diese Trauerrede noch Gelegenheit sein. Wer möchte, ist dazu herzlich willkommen, wir werden anschließend noch einiges aus dem künstlerische Nachlaß zeigen und Prosa des Peter Markgraf lesen.

 

Eines soll und muß hier an dieser Stelle über den Menschen Peter Markgraf gesagt werden, nämlich, daß seine Art des Abschiednehmens und sein Umgang mit dem Sterben es ist, die unsere Achtung, ja sogar vielleicht unsere Hochachtung verdient hat. Seine Art und Weise war es, die mich auch dazu veranlaßt hat, hierzu Worte zu finden und zu reden.

 

In den vergangenen, seinen letzten Monaten, hat Peter in der Gewißheit gelebt, sein Leben abschließend zu ordnen, es geordnet zu verlassen, so wie der Arbeiter seinen Arbeitsplatz verläßt, geordnet für die nächste Aufgabe, und es war seine Gewißheit, daß er nur noch eine letzte Anforderung zu bestehen hatte, sein Fortgehen dem Sohn, Jan, verständlich werden zu lassen.

 Dies hat er meiner Meinung nach in bewundernswerter Weise vollbracht, so daß ich ihm für dieses Erleben auch heute nochmals meinen Dank und meine Achtung sage.

 

Was nun seinen Glauben angeht, so ist er vielen der hier Anwesenden wohl recht gut bekannt und es finden sich vielfache Hinweise in seinem wahrlich umfangreichem künstlerischen Werk. Sicher, zuvorderst und vor allem anderen ist es sein soziales Engagement, daß sein künstlerisches Wirken bestimmt hat.

Darin war er selbst der Forderung des Wolfgang Borchert verpflichtet, dessen letzten geschriebenen Worten:

       " wenn ihr nicht nein sagt."

Wo Borchert "Nein" schrie, haben die vielen Anderen geschwiegen. Peter Markgraf hat nicht geschwiegen, er hat öffentlich "Nein" gesagt, geredet und geschrieben mit Bildern und Texten.

 

In einem neueren kirchlichen Lied heißt es: "Glauben heißt nicht alles sehe; Glauben heißt nicht alles verstehen und weiter, Glauben heißt dem Wort vertrauen!"

Peter Markgraf hat viel dem Wort vertraut und diesem auch viel anvertraut, wie seine vier großen Bände mit gesammelter Prosa und Lyrik bezeugen.

Es war sein fester Glaube, daß sie für Jan und uns, die Mitmenschen, Zeugnis ablegen werden von seinem  Wollen und  Glauben.

Der altindische Glaube geht von dem diesseitigen Verdienst für den zukünftigen Wandel des Menschen aus, und er ist darin auch für den christlich katholischen Glauben die Wurzel, in dem noch heute die Möglichkeit des Verdienstes die Vergebung bewirkt.

Im asiatisch-fernöstlichen Glauben ist es ein Glauben an die Erreichbarkeit  durch den Weg, der das Ziel ist.

Der protestantisch Glaube  'verneint'  einen Erwerb durch Verdienst, allein die Hoffnung auf Gnade auf ein mir selbst gegebenes So-werden und die Gewißheit des selbst So-nicht-zu-sein, bestimmt die Selbstverantwortung für den eigenen Weg.

Watzlaw Havel sagte jüngst von dem 'Jan Hus', daß dieser das Prinzip der selbstständigen Verantwortlichkeit begründet hat,

danach kam Martin Luther und sein "Hier steh ich, ich kann nicht anders!"

 Der Glaube an sich ist in seiner Wortbedeutung in unserer deutschen Sprache zutiefst christlich geprägt, und dennoch scheint es mir, ist er eine dem Menschen angeborene, selbsttätige Eigenschaft seines Wesens, so wie es die Liebe ist, eine nur aus dem Wissen um die Wahrheit entstehende Tätigkeit.

 Hier möchte ich ein Gedicht vorlesen, daß mir Peter selbst sehr ans Herz gelegt hat, 'als sein eigenes'. Aus vielem seiner Lyrik spricht eine Heiterkeit und auch eine Gelassenheit, wie sie Wilhelm Busch zu eigen war.

 Sicher ist, daß Peter Markgraf sein Leben in einer Auseinandersetzung mit der menschlichen Lüge und der politischen Ungerechtigkeit geführt hat, als ein künstlerisch tätiger und an die Notwendigkeit hierfür glaubender Mensch.

 

 Gern hätte er es gehabt, daß an seinem Grab ein Lied, seinerzeit von Simon and Garfunkel gesungen, für ihn gesungen würde, aber leider ist hierfür der Sänger erkrankt.

Das Lied 'Bridge over troubled waters' ist mir leider vom Text her nicht  mehr erinnerlich, aber von seinem Sinn her,

'Wie eine Brücke über kummervolles Wasser ' !

 Dieses lyrische Bild läßt deutlich werden, daß unter demjenigen, der über eine solcher Art Brücke geht, ein Leben fließt, ein Leben voller Kümmernis, mühevoll und voller Leid.

Und doch gibt es von dem Woher-ich-komme einen sicheren Weg zu dem Wohin-ich-gehe. Eine Brücke auf die ich vertrauen kann. Das auch sein Weg wie eine Brücke über und durch alle Kümmernisse führt, dieses hat Peter Markgraf in seinen Arbeiten verkündet. Ich denke, viele die Peter genauer kennengelernt haben, können mir darin zustimmen, daß es sein Wollen war, diesen seinen Weg verständlich zu machen.

 

In einem Briefwechsel zwischen Carl Zuckmeyer und Karl Barth fand ich einen Hinweis auf das letzte Vortragsfragment des Karl Barth, überschrieben:

                  Aufbrechen  -  Umkehren  -  Bekennen,

das möchte so auch auf das künstlerische Wirken des Peter Markgraf zutreffen.

 Kunst kommt nicht allein vom Können. Können ist nur die Voraussetzung für Kunst, für die Kunde; der Kunde von der Wahrheit und der Wirklichkeit der Liebe und des Glaubens.

Davon zu künden ist die Arbeit eines Künstlers. Nun eben dieses hat Peter getan, hat er noch im Sterben getan, bis zu seinem Tod.

Seine letzte Arbeit ist eine aus der japanischen Pinsel-Malerei stammende Bilderfolge,... die eines Mannes , der in einem Boot sitzend, sich selbst und das ihn umgebende 'Alles' in der Natur ruhig, wie erstaunt wahrnimmt, und dann ähnlich wie Hermann Hesse es geschrieben hat, zum Erstaunen seiner Wächter aus dem Gefängnis in einem nur gemalten Gefährt entschwindet.

Wir nehmen Abschied von dem Gefährt, dem Leib und von dem Wesen, von einem Menschen, von der Seele, von dem was gewesen war?

 

Und dabei soll nicht vergessen werden, daß darin der Trost liegt, daß alles Leid nicht unendlich ist, da der Tod davon erlöst, und daß die Liebe auch in der Menschenwelt den Schmerz lindert.

 

An dieser Stelle nun habe ich auch in Peters und seines Sohnes Namen Dank zu sagen, Dank der Gemeinde, seinen Nachbarn und denen, die ihn in der Gemeinde kannten und es ihm ermöglicht haben, seinen Weg hier in dieser Gemeinde beenden zu können, wo ihm soviel Mitleid und wohl auch Barmherzigkeit sein Ausruhen in Würde ermöglicht hat.  Das ist Nächstenliebe.

  

Wir bleiben zurück im stillen Gedenken.

Der, der mag, kann nun seinen Glauben bekennen und sich an ein Gebet, an die tröstenden Worte erinnern, wie sie uns in Kindheitstagen gelehrt worden sind.

  

Vater unser, der Du bist im Himmel,

 Geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, allso auch

 auf Erden.

 Unser tägliches Brot gib uns heute,

 Und vergib uns unsere Schuld so, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern;

Und führe uns nicht in Versuchung,

Sondern erlöse uns von diesem Übel.

 Denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

 

Amen

 

 

Nun denke ich, ist es an der Zeit zu gehen.

 

                                                                      Frido Pleuss

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