- Das Dorf -

 

   

 "Zwischen den Welten wächst Gras"

 

Gedichte aus Deutschland 

Lyrik von vor Vierzig Jahren

... 1981 ...

 

Für das Netz überarbeitete und korrigierte Fassung

 

                           

  Ein Stimmungsbild

 

     – Das Wesen der Menschen ist Erinnerung –

 

 

                                                          

               

                                              Dramatisches Bühnenbild

 

 

 

Am Morgen kam ein Reiter

 

Der Reiter trägt seinen grünen Mantel,

Reitet auf silbergrauem Pferd,

das schwarz die Welt bespiegelt

im fliegenden Trab.

 

Weit weht der Mantel über die Felder.

Sein Helm ist alt und verstaubt.

Darunter aus alter Reiterscharen Macht,

wie Aztekenmasken ein Gesicht gesägt.

 

Still steht das Pferd über der Masse der

Völker, die atemlos ihn als Führer verstehn.

 

Zweifel mag ihn wehren, das Volk hat ihn

immer als Helden gesehen. In jedes

Antlitz hat er seinen Blick gesenkt.

 

Tief im Inneren wurzelt sein Reich.

Machtvoll schlägt die Pranke des

Löwen zuckend ins warme Fleisch.

 

Der Menschheit Traum ist ein zorniger

Reiter auf moorigem Feld.

Brüllend standen Schotten im Morgennebel.

 

Auf dem grünem Gras des Hochlandes ließen

sie sich von Ketten zerfetzen.

Sie sind besiegt –zerrissen gesunken.

 

Zeitlos brandet das Meer an felsige

Küsten, spritzt Gischt an die Gestade.

 

Die Krieger haben den Gott getragen.

In fremden Welten ist er ans Land geritten,

hat die Hungernden und Dürstenden am

Leben erhalten.

 

Zu seinem Sieg ist er aufgebrochen.

Zeitlos ist sein Wesen, seinem Ruf muß

jeder folgen.

 

Der Vogel, der die Beeren von den

Zweigen frißt, der Wolf, der den

Menschen zu nahe gekommen ist.

 

Der Mohnraucher, der den Tod seines

Lebens träumt, der mächtige Mann, dessen

Liebe so kalt geworden ist.

 

Ein hoher Baum reicht seine Äste dem

Himmel, seine Zweige fächern die Luft.

Im dichten Unterholz stürzt eine alte Weide.

 

Der Reiter treibt sein Pferd gegen die

Bewaffneten und die Unwissende.

Ihm sind sie gleich.

 

Seines Pferdes Hufe zertrümmern Schädel

und fester Boden ist mit leblosen Leibern bedeckt.

Vor ihm liegt die Stadt.

 

                              

 

Der neue Glaube

 

In der Stadt wohnten einst die Paladine und

Wissen hat das Leben geleitet.

Zerrissen das Banner vom hohen Turm.

 

Über den Hof rattern Maschinen, mit

Krallen bewehrt, durch Stahl vor den

Winden geschützt.

 

Ungläubige liegen im Staub zerfetzt.

Das Gesicht des Reiters hat Leid ins

Land gebracht.

 

Am Fuß des gewaltigen Tempels der neuen

Zeit stehen gewappnete Krieger.

Mit stählernen Helmen und gläsernen

Schildern zu Ketten vereint.

 

Umlagert vom fremd gewordenem Volk,

in Lumpen gehüllt, den hohen Meister der

Zeit verhöhnend und doch glaubend an ihr

Recht.

  

Er war immer einer der ihren.

Zu allen Zeiten hat man ihn gefeiert.

Schon damals als wir noch die Sachsen waren.

 

Als unsere Götter noch in den Bäumen und

Steinen wohnten.

Wer des neuen Gottes Glauben nicht tragen wollte,

mußte sterben.

 

Offen und schrecklich war der Kampf.

Ein Glaubenskrieg der neuen Macht.

Der Eine hat die Vielen besiegt.

 

Und zu Sklaven ihres eigenen

Herrschers gemacht.

Die steinernen Häuser wurden gemauert zum

Schutz der hohen Herren.

 

Ungläubige liegen im Staub zerfetzt.

Hinüber in friedliches Land stampfen

die Pferde auf hölzernen Schiffen.

 

Konquistadoren besiegen die endlose

Zeit goldener Götter auf hohen Bergen.

Sie tragen das Kreuz in steinernes Land.

 

Golden waren die Tage geschmückt,

wie Federbälle im glitzernden Tanz

der Glaube an gewachsenen Stein.

 

Der Edlen Mut, ewige Freude des Wassers

und schimmernde Pracht.

Der Eine sprach sein Wort,

Der Reiter stürzte die anderen Götter vom Thron.

 

Sie verschwanden fort von dieser Welt.

Verließen das alte Volk und niemand

wird jemals ihr Wirken wieder verstehen.

 

Damals in alten Tagen haben Christen den

Glauben aus den Herzen der Menschen verjagt.

Der neue Glaube heißt Gott.

 

Seine rauschende Macht hat Felder verwüstet,

Menschen in schlimmer Folter des Geistes

geknechtet.

 

Das Quadrat der Menschlichkeit heißt

Totschlag,

Vernichtung der Wahrheit Welt um jeden Preis.

 

Heute reitet der Reiter wieder in unsere

Stadt, fragt nach diesem und jenem aus alter

Zeit.

 

 

         

 

                           

 

 Der Hochmut der Väter

 

Wird unser Handeln sein, für spätere

Zeiten ein Übel?

 

Draußen vor dem Feld am Waldrand sitzt der

Sperberkönig, die gesprenkelten Flügel auf dem

Rücken gefaltet.

 

Er schaut lächelnd hinab ins grauverschneite

Tal des frühen Tages, sieht Tropfen durch

taubringenden Wind in die Äste fallen.

 

Er kennt des Reiters Begehr um Einlaß in das

Herz –die alte Ehrfurcht unter den Menschen.

 

Sein schmaler Kopf wendet sich zierlich.

Er schaut in den Sonnenkreis. Sieht trostlose

Karawanen durch Wüsten ziehen.

 

Ächzend drehen sich die großen Scheunentore

Polternd gegen die Steinmauern, schleifen über den Schotter.

Pferde werden hinausgeführt.

 

Sie werden im Kreis gehalten, die Kraft des

Futters abzuarbeiten.

Ein Funken Hoffnung, der Reiter sieht den

Treibenden zu.

 

Drüben im Haus wird er bald Arbeit haben.

Hinter geschlossenen Fenstern atmet ein alter

Mann langsam in das Ende seiner Gedankenflut.

 

Der letzte Traum war ein Rausch.

In das Sofa gesunken lauscht der Körper

Qualmenden Köpfen.

 

Auf dem Tisch stehen Gefäße gefüllt mit dem

Trunk der Erinnerung.

Das Feuer brennt noch heiß in der Ecke. 

 

In der Luft, an den Wänden mit bunter Farbe bespannt,

überall hin ziehen die

Gedanken auf der Suche nach der Vergangenheit.

 

Der alte Mann kann nur noch träumen, ein

verlorenes Wissen um alter Dinge Geheimnis.

Das fremde Leben verlängert seine Einsamkeit.

 

Aus dem Nachbarhaus dringt Kinderlärm.

Es führt ihn zurück in einen warmen Garten

voller spielender Gesichter.

 

Im Sandkasten hocken Kinder, haben

Kuchen gebacken und jemand muß probieren.

 

In längst vergangenen Träumen schwindet das

Leben. Wenn der Reiter fortzieht wird er ihm

folgen.

 

Wie der Rauch dem Feuer entsteigt wird er diese

Welt verlassen.

 

Vor dem Fenster im feuchten Gras spannt eine

Große Katze die Muskeln.

Vibrierende Barthaare beruhigen die Stille.

 

Gleißendes blutrotes Fauchen, heißatmiger

Rachen beendet das Leben einer fressenden

Gartenmaus. Sie wird fortgetragen.

 

Warmer Wind streicht durchs Dorf und wärmt

die verfrorenen Dachrinnen.

Wind weht über die Felder.

 

Die Federn des Sperbers fächern die Luft.

Leichtes Rütteln, ein ungleicher Schwingenschlag.

 

Aus der ziehenden Landschaft wird ein stehendes

Bild. Das suchende Auge grüßt den wartenden Reiter.

 

Ärgerlich steigen Krähen heraus aus dem tauenden

Schnee der Feldfurchen.

Sie fliegen eine große Kugel.

 

Zeigen dem Sperber eine Antwort auf seinen Gruß.

Das Land der Schwäne hat seine Götter und

Schamanen zertrümmert.

 

Die harte Faust des Stählernen hat den Sieg der

Kreuzträger beendet.

Gewaltiger Rauch entsteigt der schwarzen Erde.

 

Er dringt aus den Hütten und Städten, der alte

Glaube wurde zu Staub zermahlen.

Wie immer im Namen des Neuen.

 

Reichtum und Macht den Armen verheißend, fettes

Fleisch in die magere Suppe; schon die

Pharaonen haben das gleiche Essen den Sklaven gekocht.

 

Über das weite Land das Volk der Kraniche zieht,

hält Rast, schlägt mit dem Gefieder und erzählt vom

Überfluß und vom Leid der Totgefangenen.

 

Das Tier, das aufrecht geht und doch nicht fliegen

kann, hat seinen Weg verlassen.

Im Land der Birken ist der alte Mensch zerbrochen.

 

Neue trostlose Festungen glitzern am Horizont,

Stählerne Fallen durchziehen die Luft.

 

Das aufrechte Wesen beginnt alle Völker zu morden,

hat schon vielen vom fliegenden Volk die Flügel

gebrochen.

 

                                                              

                            

 

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